Dienstag, Januar 14, 2014

konzert: innen: welt. festival 2014, teil 2


um die rückschau zum abschluss zu bringen, braucht es noch nachweise zweier bands und den einen oder anderen gedanken. zum beispiel jenen, dass ich mich mittlerweile recht alt unter dem konzertgängervolk fühle. das gros der angetretenen hatte an diesem abend vermutlich das alter meiner großen tochter. auch wenn uns die eigene umtriebigkeit noch frisch hält, sind die anzeichen zunehmender vermoderung nicht zu übersehen. dagegen wird juvenilität und vitalität gesetzt, dass es nur so kracht. vorteile hat das aber für mich auch. ich muss mich nicht mehr positionieren, mich nicht in szene setzen, nicht mehr balzen, darf ganz für mich sein. es bleibt das anrecht der jugend, sich zu identifizieren. was einem alles so durch den kopf geht, während man vornehmlich der musik lauscht.




und was für welcher! kurz vor dem ende dieses abends trat his clancyness an. dem klang des namens im pluralis majestatis nach schon eine besondere figur, erwies sich jonathan clancy dann als tatsächlich der geborene selbstdarsteller. etwas pfauenhaftes ging von ihm aus, das gepaart mit der attitüde eines rockstars eine muntere mischung ergab. wie er sich allein den kaugummi aus dem mund fingerte, um ihn dann schnipsend in die hintere ecke der bühne zu befördern, war einfach nur göttlich mitanzusehen. eine halbe drehung und er verschwand neben das auftrittsgeviert, um die gitarren zu holen. also, irgendwo zwischen distinguiert und routiniert. dass er nicht nur eine figur, sondern auch ein begnadeter musiker ist, bewies er kurze zeit später. der hallversetzte, leicht schlierige sound entliess ein proportioniertes, fleischiges, lebendiges klangbild, aus dem heraus sich clancy produzierte. mit schmiss und verve, mit energiegeladener gestik, mit einem grimm im blick und mit feuer in den augen. unterstützt von synthiesounds und ambienter umkurvung (giulia mazza hinter der orgelklaviatur), von einem bass (die junge emanuela drei), der den schwung des feurigen schlagwerks (jacopo borazzo) direkt ins publikum transportierte, von einem zusammenspiel, das wie aus einem guss erschien. weil es keine lücken und damit keinen grund zum klagen ließ. fuzzstürme blieben zwar aus, aber diese schneidige note, das ekstatische zittern, die psychverbrämung des materials, all das verfehlte seine wirkung nicht. mir schien das publikum zu diesem zeitpunkt gebannter denn je. vor allem die feinsinnigkeit und melodiösität des materials, die bei all der redundanz und verblümtheit nie verloren gingen, überzeugten nicht nur mich. interaktion im eigentlichen sinne zwischen dem künstler und seiner kundschaft blieb zwar weitgehend aus, es gab zum beispiel den hinweis auf eine frühere begegnung mit dem kafe kult und dem charakter dieses besonderen ortes, aber der kontakt war längst hergestellt und sollte bis zum ende des feinen auftritts nicht reissen. mich dräute stets die erinnerung, die mahnung an lou reed, wenn ich die augen schloss und clancy nur zuhörte. dieses sonore einerlei seines gesangs mit den kleinen nuanciertheiten, die mageren wendungen und hervorhebungen. und ja, auch klanglich sind sie sich durchaus ähnlich. hier wird erbe geschultert und in eine neue zukunft getragen. recht so, his clancyness.







die stunde war bereits so weit vorgerückt, dass man den neuen tag begrüßen durfte. tellavision, die junge, blonde hamburgerin, tat dies auf ihre weise. sie werkelte beflissen und unauffällig an ihren gerätschaften und ließ geraume zeit nicht erkennen, ob man bereits einem auftritt beiwohnte oder noch den vorbereitungen dazu. immer wieder fielen ihr die haare ins gesicht, das störrische geflecht stand alsbald zu allen seiten und karikierte bildhaft den start ins programm. fee ronja kürten steckt hinter dem soloprojekt, die kunststudentin erprobt die mannigfaltigkeit von sounds und identifiziert alsbald einen eigenen klangkosmos. angesengte gitarrentöne werden geloopt, dazu ein fetzen gesang, ergänzt um weitere liveprägungen und etwas drumming. lose momente, die zunächst für sich stehen, aber durch treue hand aufeinander zu geführt werden. am anfang des konzerts findet man sich nur schwer zurecht, noch möchte nicht zusammen passen, was offenbar bezüge hat. das publikum wird unruhiger, lauter. unbeeeindruckt davon tellavision, die konzentriert ihren geübten handläufen folgt. so agiert sie zwischen ihren maschinen, mit umgehängter gitarre, ungezähmter mähne, mit der grandezza einer großen. mal hier an knöpfen drehend, mal dort regler schiebend, selbst zu ihren füssen agierend, so dass sie auch dem aufmerksamen aus dem bild gerät. doch wir müssen hier von einem faszinosum sprechen. der unruhe abhold bewährt sich die musik, die sich in folge als etwas ganzheitliches prägen lässt. texturen, signaturen, minimales, verschrägt zu einem gekonnten komponierten bild. wie landschaften, die im zug an einem vorüber ziehen, deren schönheit man erst gewahr wird, wenn sie bereits vergangen sind. dann schält sich aus der erinnerung das tonale etwas zu etwas eigenem. lange trägt die exaltierte stimme fort, da bewegen wir uns schon in anderen sphären.



während im inneren der kultbaracke noch zum tanz aufgelegt wurde, begaben wir uns mit einem sammelsurium an pfeifbaren melodien auf die heimreise. zu bereden gab es viel, nachzulauschen eine menge und zu erinnern auch heute noch. geschafft haben das die künstler, aber vielmehr noch die organisatoren. ihnen sei unser herzlicher dank geschuldet. bis zum nächsten mal!

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