Mittwoch, September 04, 2013

neue töne (1330): sieur & dame


photo by jf perrault 

zuvorderst steht die theatralik, das ausschweifende momente, der überschlag, die blenderei, die ruchlosigkeit, der mut zur hässlichkeit. das breite grinsen auf dem  viel zu dick geschminkten mund, die kollernden augen, die betonten noten, die vielen, die im gierigen gesang wie windhunde entspringen. das varietè, die komödie, das klassische lied finden ein zuhause. der böse wolf wird umarmt, die hexe umgarnt und einem henker hängt man ein schleifchen um. doch ist das alles wahr? ist es ein ernst! 

claire und etienne bilden das duo sieur & dame und sind wohl das ungewöhnlichste, was frankreich in sachen musik zu bieten hat. gerade habe die beiden ihr drittes album im anschlag (nach "terrorifié" 2008 und "perversion discrète" 2011), "amour et papouasie" soll am 23. september auf kythibong erscheinen. darauf enthalten sind unter anderem einige songs von labelkollegen wie etwa mansfield tya oder piano chat, die sieur & dame in ihre ganz eigene wesenheit übertragen haben. ein anderes gutes beispiel ist, wenn man dieses bekannten schlaflieds habhaft werden kann, dass sie auf eine so gar nicht beruhigende weise interpretieren. Ihr werdet es gleich erkennen.

die beiden trafen sich im sommer 2005 auf einem campingplatz während eines tanzfestivals. die enge und seelenverwandte verbindung bestand nach wenigen gemeinsam getätigten tanzschritten. was zunächst eine schlingernde wildwasserfahrt war, wurde durch das musizieren wieder beruhigt und zielgerichteter. claire hatte bis dato eine streng katholische erziehung genossen und sang bereits mit inbrunst, nur fehlte ihr ein ventil. etienne dagegen brachte das schlagzeugspiel von daheim mit, ihm war die weltliche musik näher. 2006 gründeten sie ihr duo.

am ende benennt man das, was sie treiben, wohl als burleske. der zotige spott lässt sich bis ins 16. jahrhundert zurück verfolgen und sieht sich hier vortrefflich in die gegenwart transportiert. trommeln, leiern, spinettartige klänge und stimmen, die fordern, herausfordern. auf ungewöhnliche weise harmoniert der schmerz mit der schönheit, das dunkle mit den lustvollen freuden. lebendigkeit macht sich breit, wo man den tod in den mund nimmt. sich anziehende gegensätze, im verschreckt sein fühlt man sich längst angezogen. patchworkartiges, blicke durch ein kaleidoscope, doch fühlt man sich stets an die hand genommen und durch eine fremde, neue geführt.

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