Freitag, Juni 21, 2013

neue töne (1298): crystal soda cream


überm gebirge kippt eine lore aus. wer hat sie nicht gesehen? dicke schwarze brocken poltern dort ins tal herab. einer zischte mir am ohr vorbei. den anderen packte ich mit fester hand. kein lavabrand, doch auch kein trockenstaubiges vergnügen. gewichtig liegt er da. überm gebirge weit da liegt ein land.

phew, sausewinde zischeln durch die auf straffheit gedroschene saitenzunft. erst spät wird der vokalen lässigkeit ein psychedelisch aufgebretzeltes element beigefügt. vorab wurde das genre auf machbarkeit abgeklopft und erinnerungen an frühere wiener vorstadtfeste wach. düster dräuen bald basswolken über rhythmischem einklang. kurz vor dem jubilieren knicken jedoch die gitarrenhälse ab, der umschwung wird konzentriert genutzt, um der depression vorschub zu leisten. new wave, punk, post- produkte wehen durch den muffig anmutenden und doch säuberlich aufgeräumten klangraum. tradiertes, altvorderes drängt sich auf. keck lugt jedoch eine dame mit einer packung erfrischungstücher um die ecke.

aus einem interview, das crystal soda cream dem onlinemagazin music austria anfang juni gegeben hatten, kann man einige spannende details herauslesen. etwa, dass die band 2010 ihr erstes konzert spielte, kurz darauf mit theresa einen neuzugang zu verzeichnen hatte, die einsprang, um den bandscheiben erkrankten drummer zu ersetzen, dass sich der bandname auch als süßigkeit irgendwo auf dieser welt versteckt, dass der stil, den man präferiert, auf post punk heruntergebrochen wird, dass in der regel die musik zuerst da ist, um schließlich um texte ergänzt zu werden, dass man den heute verwendeten begriff des "diy" eher kritisch, weil nicht mehr politisch und ohne message verstanden sieht, dass zum aktuellen album bald auch eine remix kassette zu erwarten ist. immerhin.


philipp forthuber, sebastian ploier und theresa adamski sind crystal soda cream. der neuzugang auf totally wired records veröffentlichte seinen zehntracker "escape from vienna" im april diesen jahres. die grundlage ihres erfolgreichen auftritts liegt dabei in einem unstrittigen soundmanifest aus rostbelasteten e-gitarrenspuren, denen man lange noch im hall nachsteigen kann, einer gewittertreuen schießbude, die die atempausen erfolgreich zur regeneration nutzt, einem bass im stocksteifen predigergewand, der die persönlichen ausflüchte stets zu rechtfertigen weiß, einer synthiefolklore, die zart schwebend konterkariert und einem gesang, dessen attitüde jedem dark wave helden zur ehre gereichte.

die leiernde gitarre, das stotternd präzise schlagwerk, etwas grissliges im hintergrund, das vom gebet geschundene stimmorgan. "shot by both sides" wird zur kollektivhypnose, wenn man sich dazu im kurzschrittigen tanz verfängt. "freud und jung", der erfrischende opener, punkglorie und feuerfang zugleich, seltener klang robert smith so entlehnt. der titelgebende track blendet mit absatzreifen harmonien und hat dank feiner austarierter texturen hitpotential. keine blender in der organischen soundsuppe, die lediglich durch verschiebungen, verzögerungen und dopplung verfeinert wird. "sweet doom", an erratischem stickbeat, belebtem bass und tropfnasser saitenflagellanz, staubt während jeder bremsattacke ordentlich auf.

hier sind sie am werken. apologeten zwar einer lehre aus zorn und wille und ungebundenheit und persönlicher freiheit, aber keineswegs epigonen. stattdessen gelingt ein charakterfester auftritt. crystal soda cream sind blaupause einer neuen wiener zukunft. denn das album zeigt sich abwechslungsreich wie konstant. jedem song wurde ein treueherz umgehängt, während man ihm die jeweils zustehende liebe angedeihen ließ. doch in der gesamtheit strotzen die zehn songs in ihren gleichfarbenen heimtrikots. mit unterschiedlichen nummern beflockt und mit dem ganz eigenen gleichmut wiener nonchalance aus weltoffenheit und kleinbürgerlichem schmäh strahlend.

einkauf: die lp gibt es beim label, digital auf der bandcamp seite.

crystal soda cream - shot by both side by totallywiredrecords

crystal soda cream - drag by totally wired records

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