Samstag, April 21, 2012

interview: howth, teil 2


das interviewen auf entfernung, per eamil, ist ein ganz besonderes ding. es ist in gewisser weise waghalsig, weil der fragensteller ein wenig spekulieren muss, was der gegenüber in etwa antworten wird. mit der option, später noch einmal nachhaken zu dürfen, sind blake luley, carl creighton und ich in diese unternehmung abgetaucht, deren zweiter teil nun folgen soll (teil 1, klick). an manchen stellen hakt es, doch zuvorderst stand immer der erkenntnisgewinn, das mehr an information bzw. an verständnis über die band, das neue album, über das leben.

das klienicum: gibt es eine bestimmte thematische ausrichtung auf "newkirk", Eurem neuen album, die Ihr verfolgtet?
carl: einige der songs schrieb ich in minnesota, deshalb sind sie auch ein teil davon. "out in eagan" und "grand marais" sind etwa über orte dort. angeschnitten werden auf dem album aber auch themen wie schwul zu sein und sich deshalb schuldig zu fühlen. und übers auto fahren. und übers bereuen. und über den schlechten zustand der wirtschaft.

das klienicum: kannst du letzteres etwas ausführen?
carl: nun, der gegenstand ist, an welchem platz du lebst oder deine lieder schreibst, der selbe und beeinflusst das leben in bedeutender weise, ob nun in minnesota oder new york. es ist zwar ein drastischer unterschied zwischen den beiden orten, aber es gibt eben diesen roten faden der wirtschaftlichen unsicherheit, der sie zusammenhält. "the belly of the beast" bspw. handelt speziell von der wall street und der song "honey" von einer familie, neben der ich in prior lake, minnesota aufwuchs, die durch das geschehen an der wall street in eine finanzielle katastrophe getrieben wurde. auf diese weise hat das leben in beiden orten das album stark beeinflusst.

das klienicum: und welches ist die story hinter "a lie", einem der meines erachtens spannensten songs auf "newkirk"?
carl: ich traf einen schwulen mann, der sich mit einer frau und zwei kindern in die enge getrieben sah. und dieser lebensentwurf, dein ganz leben lang mit diesem großen geheimnis, letztlich mit dieser lüge auszuhalten, interessierte mich. also schrieb ich diese eine zeile: "a lie isn't a lie if the truth is never told." das war alles, was ich schrieb. ich schickte es blake und er entwarf die streicherarrangements und alles andere. und dann gingen wir daran einige harmonien zu ergänzen und ich fing an den refrain zu singen, weil es zu passen schien.
blake: ja! carl schickte mir dieses demo und meinte dazu: "hier ist etwas prätentiöser käse, den ich geschrieben habe.", und ich antwortete: "nein, das ist wirklich gut!" so schrieb ich einige seltsame und verrückte musik, um die akkorde zu begleiten. die streicherarrangements brachte ich auf papier, während ich in der westband freiwilligenarbeit mit einem haufen leute aus irland und dem uk verrichtete. wir jammten auf traditionelle irische melodien und das prägte außerordentlich, wie ich die melodie des songs sah (vor allem, wenn die violine aufspielt). der song zeigte sich letztlich beeinflusst von björk, irischen volksliedern und dem klang der gebetsrufe (jene, die per lautsprecher aus den moscheen während der gebetszeit übertragen werden). ja, gerade das hat meine sicht auf die musik drastisch beeinflusst. es gab drei moscheen in der stadt (nablus) und die gebete begannen alle nur wenige sekunden auseinander und sie widerhallten aus den bergen und das ergab diesen wunderbaren klang. ich realisierte, wie viel schöne musik um uns herum existiert und dass wir keine plattenfirmen brauchen, die uns die musik verpackt, und auch keine konzertsäle, um sie zu geniessen und zu schätzen.

das klienicum: die ersten worte auf "newkirk" hört man so auch in "we shall overcome": "deep in my heart i do believe", zufall?
carl: ich schrieb diesen song in der hoffnung, er würde auf das album "11 north" passen, das blake und ich vor einigen jahren zusammen gemacht haben. wir nutzten das thema von "we shall overcome" auf einigen songs wie ein verstecktes osterei. ich mochte das gefühl der überwindung von not und wollte, ohne dass die bürgerrechtsbewegung verharmlost würde, dass die songs daraus einen nutzen ziehen könnten. und schließlich machte es sinn, es auf "newkirk" zu verwenden, weil unser freund jesse, nach dem das album benannt wurde, seine krankheit überwinden konnte. so ist es eine hommage an ihn und seine stärke.


das klienicum: was sind die hauptunterschiede bezüglich der produktion gegenüber dem ersten album? hattet Ihr mehr optionen, wenn ja, welche und wie habt Ihr sie genutzt?
blake: nun, dieses album ist schon mehr hifi, aber es bleibt ein homerecording. miles hat einiges an wundervollem equipment und außerdem ein ausgezeichnetes gehör, so dass wir unter diesen bedingungen ein wirklich hochwertiges produkt erschaffen konnten. miles und ich haben in den letzten jahren so viel gemeinsam aufgenommen, dass sich der vorgang flüssig und zuletzt auch solidarisch ergibt. wir können quasi die angefangenen sätze des jeweils anderen beenden. wir gingen beim mix von "newkirk" recht verrückt vor und sprachen dabei unsere ganz eigene sprache, in etwa: "Hey can we scrub the digital artifact out of measure 43 beat 2 on the glockenspiel?", "Let's add 2dB to 8K on the API-560 mono." und es endete mit: "I have no idea what I'm doing anymore". du verstehst, eine echte wissenschaftliche diskussion. im grunde klingt das album aber nicht wie ein experiment, sondern genau so wie wir uns vorstellten, welchen klang es haben sollte. das ist zumindest teilweise wahr.

das klienicum: welche musikalischen einflüsse sehen sich auf dem album wiedergespiegelt?
blake: ich denke, dass wir über die maßen unterschiedlichsten einflüssen unterworfen sind. und ich fühle, dass sie jeden song auf eigene weise beeindruckt haben. nur schwierig ist es, im nachhinein einzeln zu identifizieren, welcher einfluss wofür verantwortlich war. unser sound wird durch das unterbewußtsein beeinflusst, und wir suchten nicht das direkte zitat anderer künstler. zudem hören wir alle sehr verschiedene musik, somit haben wir ein sammelsurium an unterschiedlichen einflüssen. ich persönlich hänge sehr an der popmusik der sechziger jahre, zudem an ambient und viel postrock zeugs. außerdem ist die gesamte band in den neunzigern aufgewachsen, so dass wir sicher auch vom damaligen alternative rock unterströmt wurden.

das klienicum: blake, du lebst jetzt in brooklyn. wie denkst du darüber, ist es hip? ist es der richtige ort, um das zu tun, was du tust? oder ist es gar ein hype ohne substanz?
blake: ich mag, wie du das sagst: hype ohne substanz. das ist so verdammt wahr. aber das ist halt auch immer das problem mit hypes. der hype erscheint oft wie eine eher zufällige sache und hat wenig mit dem eigentlichen talent zu tun. ich will nicht sagen, dass viele hochgepuschte bands nicht talentiert wären, aber es gibt eben auch bands, die völlig unbekannt sind, dabei aber wesentlich talentierter. ein ähnliches ding ist es mit brooklyn. ich habe hier viele kreative, talentierte, tolle freunde, die genau wie ich denken. eine sache, hinter die ich nicht komme, ist, dass es eine ganze szene gibt, die sich nur um sich selbst dreht. und diese mentalität, in etwas zu investieren, obwohl es nichts taugt. ich meine, es ist die selbe art von bastardisierung, wie sie damals um velvet underground passierte.
in meinen fünf, sechs jahren in brooklyn hatte ich von jeher eine ausgeprägte hassliebe. aber ich habe auch gelernt, dass es wirklich egal ist, wo du bist, und selbst wenn man in brooklyn lebt, kann man all seine zeit darauf verwenden sich zu isolieren, so dass du auch gut in wisconsin hausen könntest. auf der anderen seite kannst du hier vieles genießen und erleben. ich werde diese chancen nutzen, so lange ich hier bin, aber in fünf weiteren jahren werde ich vermutlich wahnsinnig geworden sein. bin ich es vielleicht schon?

das klienicum: wann werdet Ihr nach europa kommen und ein paar konzerte spielen (und uns ein hauskonzert geben)?
blake: wir wollen nach europa kommen und alle möglichen shows spielen. und wir werden dein haus rocken. das wird großartig! aber im ernst, wenn alles gut geht, sollte europa ende 2012 oder anfang 2013 möglich sein. wir müssen halt gucken, wie es am besten möglich ist, ohne dabei pleite zu gehen. lust darauf haben wir alle.

das klienicum: welches sind Eure nächsten pläne?
blake: wir haben so viel vor. zunächst aber wollen wir etwas abhängen, trinken, kochen und die nächsten dinge in ruhe planen. wir werden sehen, was dann tatsächlich zum tragen kommt. doch wir haben bereits darüber gesprochen, ein paar verrückte videos für einige albumtracks zu machen, außerdem eine ep im fifties style aufzunehmen, fleetwood mac zu covern und ein konzert zu geben, auf dem alle die musik über kopfhörer zu hören bekommen. außerdem hat carl eine reihe von songs für ein konzeptalbum über die teenage mutant ninja turtles geschrieben. hoffentlich werden wir bald daran arbeiten.
was ich allerdings ganz genau weiß ist, dass wir am 01. mai unser neues album "newkirk" veröffentlichen werden und im august durch die staaten touren. das ist was konkretes und alles andere werden wir dann sehen. eines ist sicher, wir sind alle hunderprozentig bei der sache, und wollen nicht damit aufhören, unsere musik so vielen menschen nahe zu bringen wie nur irgendwie möglich.

das klienicum: ok, lasst uns doch bitte noch wissen, was sich 2012 bei Euch bereits auf heavy rotation bewegt?
blake: oh, es wird einiges gute in diesem jahr herauskommen. zwei unserer labelgenossen auf mecca lecca unicycle loves you und christopher paul stelling veröffentlichten klasse alben, die ich bereits ein ums andere mal abgespielt habe. sharon van etten brachte ein feines album heraus. ich freue mich aber auch auf veröffentlichungen von caged animals, dinosaur feathers, beach house und von einer tonne mehr, die mir gerade nicht einfällt.

das klienicum: welche konzerte habt Ihr zuletzt besucht?
blake: das letzte konzert, auf dem ich spaß hatte (das meint, dass alle konzerte großartig sind, auf denen wir nicht spielen), war sharon van etten. es war absolut großartig. sie hat eine wunderbare stimme und ihre band ist sehr talentiert. zudem hatte sie ihre freundin heather dabei, die mit in den harmoniegesang einstimmte und die keyboards bediente, es war einfach wundervoll. ich erinnere mich nicht, dass ich jemals eine sängerin mit solcher aufmerksamkeit verfolgt habe.

das klienicum: abschließend, kannst du die wichtigsten einflüsse auf deine karriere als musiker nennen?
blake: (1) sigur ros, ich hörte sie während meiner zeit auf der highschool und ihr ätherischer, ambienter pop hat mich wirklich überall hin verfolgt und fand niederschlag in allem, was ich seit dem musikalisch tat. (2) john cage, seit ich in der musikschule einige essays von ihm gelesen habe, habe ich einen enormen respekt vor ihm. ich liebe einige seiner kompositionen (vor allem seine frühen stücke auf dem präparierten klavier), aber noch mehr mag ich ihn als musikphilosoph, wie er angibt musik erfahrbar zu machen. egal welche musik du spielst, du kannst etwas davon lernen, wenn cage über die bedeutung des schweigens und die praktiken des zen nachdenkt. (3) fleetwood mac, ich entdeckte ihr album "rumors" und hörte es immer und immer wieder. es ist ein großartiges beispiel wie organisch und geschlossen eine band zusammen spielen kann. (4) minor threat, ich hatte eine punkphase während ich in der middle school war und liebte minor threat sehr. vor kurzem habe ich ihre musik wiederentdeckt. an der oberfläche ist das schlampiger früher hardcore, aber es ist ein echt intensives und zuweilen komplexes ding, was da passiert.

das klienicum: tausend dank für Eure zeit!

in kürze noch einige worte zu "newkirk".

i will always love you (dolly parton cover) by howth

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