Donnerstag, Februar 18, 2010

konzert: chokebore, 16.02.10

das kafe kult in oberföhring ist station der überraschenden, aber dafür umso schöneren comebacktour der hawaiianischen sadcore band chokebore um troy von balthazar. genau jenem burschen, über den wir hier berichteten, da er in olivers pariser bude in singer/songwriter manier vom leder zog. ein krasser gegensatz zum tun mit chokebore? nicht wirklich. denn das ringen um die allzu dunklen themen ist hier wie dort an der tagesordnung. versteckt er es in den leisen tönen, wenn er allein zur gitarre singt, schreit er es hinaus, wenn er von seinen mannen geleitet wird. die art und weise steht seinen anliegen nicht im wege. die unbetitelte scheibe im gepäck, auf der sich unveröffentlichtes, livetracks und schwer zu findendes liedgut befinden, wird saftig von diesem vierer promotet. davon konnten sich am 16. februar knapp zweihundert neugierige überzeugen. die überhitzte baracke, in der sich neben dem kafe kult auch ein kleiner konzertsaal befindet, wurde zwar nicht in ihren grundfesten erschüttert, aber kräftig durchgeschüttelt. chronologisch betrachtet, um diesem abend gerecht zu werden, gilt es zunächst noch einmal seinen blick auf die vorband kitty empire zu richten.

denn die sorgten mit ihrem extrem giftigen powerrock für den richtigen einstand. hier ging es nicht nur einfach nach vorne los, auch zur seite wurde ausgeschlagen, die diebischen und findigen experimentellen einlagen waren unaufdringlich und so vorsorglich wie bedingungslos ins musikalische konzept eingepaßt. drum hatte man es hier nicht mit haudrauf, sondern eher mit hauruck zu tun. die drei augsburger wuppten einen manischen, aber nicht entlaufenen sound auf die bühne, den sie immer wieder hervorragend zu zügeln wussten, auch wenn das schlagwerk unter den händen von christian lohr maßlos knallte, der bass peter klings düsebahnen zog und markus christ immer wieder gewaltig an der gitarre riss. dazu sein schmerzfreier, empathie vermittelnder und zugleich aggressiv, fordernder gesang. dass das zusammengeht, erscheint mir eh die klasse dieser band zu sein. drei überaus sympathische zeitgenossen, die so richtig vom stapel lassen können, ohne sich im lärm schlagen zu verlieren. die diktion des liedes bleibt erhalten und der willige hörer kann folgen. als beispiel sei "moutarde moustache" herangeführt, bei dem ein launiges sample vorangeht, schon bald aber von der testosteron schwangeren e gitarre in die zange genommen wird, die übersteuert, schlägt aus und wird alsbald wieder von dieser hellfarbigen tonfolge aus der konserve geerdet. drumherum eine bleierne rhythmusfraktion, die beisammenhält, was auseinander zu driften droht.
setlist: heavy metal king kong / painter song / meanwhile / hip hop / melasse / tog tog / more i fit (?) / moutarde moustache / small bird big beak/ chewing gum & chocolate

die nächste runde gehörte chokebore. die umbaupause war angemessen knapp, das personal enterte den vollgestellten bühnenzugang im stelzenschritt. humorlos sind sie auf keinen fall. eher erfreut, ob der doch recht großen meute, die sie noch immer sehen will, trotz der langen pause, troy sagte etwas von siebenundzwanzig jahren und schmunzelte. wie überhaupt sein freundliches wesen immer wieder den ausbrüchen von extraversion entgegenstand. anderseits kann man vielleicht gerade hier von einer ausbalancierten persönlichkeit sprechen. jedenfalls machte er einen hervorragenden job, als frontmann, sänger, gitarrist. die truppe schien besser als je aufeinander eingespielt zu sein. fürs phrasenschwein: eine extrem gut funktionierende maschinerie, bei der es keinen aussetzer gab, kein verhakeln, keinen kolbenfresser. so griffig, so akkurat, so geschlossen und handwerklich gereift. und dabei ist das programm, laienhaft gesprochen, kein selbstläufer. die musik chokebores lebt von ihren wechselnden stimmungen, den einfärbungen, den gratwanderungen und ist nicht nur auf die hardcore entlehnten bestandteile zu reduzieren. natürlich geht es satt und breitwandig zu, natürlich sind die regler auf volle pulle gedreht. aber das maß wird an ganz anderer stelle angelegt. lyrische momente erkämpfen sich raum gegenüber draufgänglerischem gebahren. an der gitarre dabei jonathan kroll, der in ein sacko gewandete unscheinbare hüne, dem ein ohr zu schenken mehr als ein genuss war. seine melodienräusche machten genauso wirr wie das abtropfen einzelner melodischer kelche. dem anderen kroll, nämlich james, sah man zudem genauso gern zu. er bearbeitete den bass in übereinstimmung zu seinem äußeren.
martialisch und unerbittlich. und dennoch ließen sich seine läufe bindend an, paketschnüren gleich, die zusammenhalten, was auf die reise muss. ganz zu schweigen von den tausenden trommeleinschlägen. als gelte es neue schlagrekorde zu erzielen, wuchtete christian omar madrigal izzo am gerät. doch auch hier überwogen die stilistische vielfalt, das künstlerische maß, die genauigkeit und unterstützende positionierung gegenüber einer undeutlichen wüterei. der bursche war ständig in bewegung, ein unding, dass er hinterher nicht im schweiße seiner selbst davonfloss.

troy schließlich feierte mit inbrunst, hingabe und eleganz. sein gesang ist eine sensation. durchgehend beständig, kein abfall spürbar trotz des stimmbandzerrenden materials. zuweilen gurrte er, als täte er sich gütlich am eigenen auftritt. ungebrochene freude am tun! er fingerzeigte, gestikulierte, schwang die gitarre empor und war verinnerlichter lenker und gestalter. das programm? eine wirklich breit angelegte sache. alle alben waren auf diese oder jene weise involviert. mal war es nur ein track wie von „motionless“, da lediglich „coat“ als zugabe berücksichtigt wurde, mal, wie im fall von „a taste for bitters“ und „black black“, die jeweils mit vier tracks punkteten, eine umfassendere zuwendung. den start gab aber „it’s a miracle“ mit „ciao l.a.“, eine der wenigen poppigen nummern der band. für den einstieg grandios. die polternden drums, die entwaffnende gitarre, der schrubbende bass. „little dream“ und „geneva“ folgten recht flott. die dramaturgie war gekonnt. ruhigere und wahrlich flottere momente wechselten sich ab und erfuhren mit den abschließenden klängen von „a perfect date“, das stolpernde machwerk, und „one easy pieces“, dem dräuenden monster sowie der zugabe aus „you are the sunshine of my life“ und „coat“ einen würdigen, erhebenden abschluss. wer die truppe noch erwischen kann, sollte die chance beim schopfe packen. wer weiß, wann sie das nächste mal antreten.
setlist: ciao l.a. / little dream / a taste for bitters / pop mod / geneva / narrow / thin as clouds / days of nothing / sections, she flew alone / lawsuit / police / bad things / alaska / get blonder / person you chose / it could ruin your day / the perfect date / one easy pieces / you are the sunshine of my life / coat
chokebore - i'll save you (bubble take)

2 Kommentare:

Oliver Peel hat gesagt…

Ein berauschender Konzertbericht, der auch Florent vom Chokebore Forum nicht entgangen ist! Er fragte mich, ob ich das Ganze ins Französische übersetzen könne. Ich antwortete ihm, daß dies bei den sprachlichen Finessen Deiner Texte verdammt schwierig sei...

Wie steht es um eine Zweitveröffentlichung?

E. hat gesagt…

wie immer: na klar!