Freitag, November 20, 2009

konzert: laura gibson, 19.11.09

die dünnen, strohblonden haare lässig über die schulter geworfen, über die ohren große kopfhörer gestülpt, hockt laura gibson an der bar und schaut lächelnd in den vor ihr aufgebauten laptop. ein freundliches, flinkes wesen grüßt dort drüben also via oregon zu uns herüber. ein schüchternes treiben ansonsten in den kellerartigen gewölben der roten sonne. so bleibt mir zeit, die junge dame so genau wie möglich zu studieren, da ich in der ecke hockend mit einer flasche bier die zeit vertreiben muss. für manche ist es früher abend, für andere wie mich hat die nacht längst begonnen. 22:00 uhr als startzeit für ein konzert ist mir schon ein wenig zu spät. aber seis drum. ich habe ja einen guten ausblick. die "echte" laura kommt dabei der auf webseiten, covers und plakaten stilisierten laura gibson nicht sehr nah. ich weiß nicht, ob ich enttäuscht oder nur irritiert bin. in ihrem gesicht finde ich etwas herbes, sprödes, ein wenig wind gegerbte haut gar, wie falten um ihren mund huschen, gerade wenn sie singt oder lacht. dann wirkt sie älter und distanzierter, als sie scheint, wenn sie sich im öffentlichen raum bewegt.

ihrem musikalischen vortrag fehlt zudem unmittelbarkeit und eine befeuernde kraft, dabei singt sie mitnichten saftlos, eher introspektiv, leise tastend, also wolle sie sich immer wieder ihrer selbst versichern. ihr 'pirate's gospel' "spirited" kommt nicht nur auf der aktuellen cd überraschend und geriert sich wie ein fremdkörper, auch im konzert hat es weckrufcharakter, nachdem sich zuvor mattigkeit über das mit knapp fünfzig köpfen ausgestattete rund breit machte. wenn sie ihre kinder ruft, schreit sie die zwei silben nicht über den hof, sondern sie flüstert. und alle kommen heim. und die, die gekommen sind, sind zumeist auch wegen ihr hier. so kann sich laura gibson über ein sehr aufmerksames publikum freuen. es hängt an ihren lippen und durchsteht ein zaghaftes "nightwatch", das sich note für note von den musikern zu den zuhörern abspult genauso wie das grazile und schimmerige "sweet deception", das von seiner auffälligen rhythmik und der gewieften singenden geige lebt, aber noch viel mehr ausdruck gewinnt, da sich laura in den gesang versteigt und wasser schöpft. dann fließt es und sicherheit kehrt zurück und ausstrahlung gewinnt an glanz, als leuchteten die hellen streifen ihres kleides umso deutlicher. versöhnlich immer wieder, wenn die töne tanzen lernen, ein "hand in pockets" kreiselt und "six white horses" galoppiert gar, denkt man an die beschwichtigendere gangart all der "beasts of seasons" songs. die nie matt daherkommen, aber höchste konzentration einfordern. ich hätte an diesem abend einen sitzplatz gewünscht, um abseits des hackendrucks geniessen zu können.

denn da waren ja an diesem abend noch sean ogilvie und micah rabwin zugegen, ihres zeichens musee mecanique mitglieder und als zweier abordnung des eigentlichen portlander fünfers backing band für laura gibson und unterwegs in eigener mission zugleich. so führten sie denn auch in den abend als "vorband" ein. die beiden multiinstrumentalisten agierten gelassen am vielfachen gerät, ergänzten sich im harmoniegesang und brachten manch traumwandlerisches ständchen. die soundfülle fehlte den anspruchsvollen stücken fast selbstverständlich, eine fußgeführte trommel und der perkussive schabernack konnten die fehlenden mannschaftsteile nicht ersetzen. der gründene bass fehlte ebenso, wie das strahlende des geschlossenen miteinanders. aber das, was das duo mittels akkordeon, gitarre, keyboard, clavicord aufs parkett brachte, war aller ehren wert. intim, andächtig, ausgewogen. hier zeigte sich neuerlich die dichte der portlander musikszene. eine befruchtung, wie sie selten so ertragreich gehört werden kann.
abschließend noch einige highlights aus der kooperation von laura mit den beiden musee mecanique mitstreitern: "shadows on parade": zart gestrichen, mit einer klarheit gesungen, dass die töne wie schweiß vom ganshäutigen rücken tropften, und wenn laura nur ein wenig die stimme hob, hob auch ich vom boden ab und verlor die haftung und wollte wenigstens laut mitsummen, um weiter zu steigen; "glory", das exemplarisch die lyrische gewandtheit aufzeigte und gleichzeitig deutlich machte, wie schwer die fundamente der laura gibson wiegen, so dass sie nur selten die bodenhaftung verliert (und das ist gut so, habe ich gelernt); "funeral songs", in dem die gitarre leuchtete und diese unscheinbare, instrumentale meisterschaft der sängerin zum ausdruck kam, pointiert, unterstreichend; "this is not the end" als abschluss, tröstlich, wie sie mit dem knappen rund gemeinsam sang. laura gibson ist etwas besonderes. eine musikerin, die aus ihrem herzen eine mördergrube macht. den schlüssel dazu aber, den sie zeigt sie her.
laura gibson - hands in pockets
laura gibson - this is not the end

1 Kommentar:

becky hat gesagt…

wunderbar wie von dir gewohnt. meine review ist auch schon fertig, bedarf aber noch de rFreischaltung. Ich denke ab morgen auf laxmag.de zu lesen :) aber das gefühl war bei uns beiden ziemlich ähnlich!