Dienstag, Februar 12, 2008

the early judgement (10): evangelista

dass sich carla bozulich anschickt, die welt unter dem vorzeichen "evangelista" zu erobern, hatte ich bereits an anderer stelle geschrieben. hatte ich auch eingefügt, dass es sich wieder um ein besonders starkes album der ausnahmekünstlerin handelt? 'evangelista' steht zunächst für das letzte soloalbum claras, wurde dann aber kurzerhand von ihr als bandname umfunktioniert. eingespielt wurde "hello, voyager" in montreal im hotel2tango gemeinsam mit tara barnes, shahzad ismaily und weiteren ortsansässigen musikern (u.a. von thee silver mt. zion). in europa erscheint das werk ende februar, im rest der welt anfang märz. constellation records zeichnet sich verantwortlich. was darf man erwarten? keinesfalls eine dame, die auf samtpfoten daherschleicht, die um die gunst ihres publikums bittet. entweder man verfällt ihr oder sucht das weite. die dichte und die stattlichkeit ihrer musik kann erdrückend sein, die wesenheit, derer man als hörer habhaft werden muss, setzt unmittelbarkeit voraus, keine anlehnung sondern intimität. die künstlerin verlangt vollständige hingabe. die ernsthaftigkeit, mit der bozulich zu werke geht, in den texten genauso wie in der musik erinnert an scott walker und manches seiner klangexperimente. doch clara bozulich verfängt sich nicht in den fallstricken kakophonie, sinnfreier abstraktion oder stupidität. sie schöpft aus der fülle ihrer musikalischen erfahrungen, sie wirkt integer und standsicher. kein tun ohne plan, kein ansinnen ohne streben.
1. Winds Of St. Anne: keine einladung. carla sprechsingt, an ihrer seite strebsames erweckungsverhalten, giftklauen, die nach dem hörer greifen. die dramaturgie der gefallenen. wer sich dem aussetzt, darf eintreten in die welt von evangelista.
2. Smooth Jazz: ein witz. marsch! zweieinhalb minuten die hacken in die höhe.
3. Lucky Lucky Luck: wie erlösung breitet sich der song aus, clara singt, alles fügt sich ihr, hooks and lines, vertrauen gewinnen. die eroberung von brachland. als hätten die zwei vorgänger vorschub geleistet für den empfang einer botschaft.
4. For The L'il Dudes: der abstieg geht weiter, die mannschaft hofiert ihrem auditorium. ein instrumentalreigen auf dünnen saiten.
5. The Blue Room: wer diesen track gehört hat, wird ihn immer wieder hören wollen. bozulich stärkster song, wird geraunt. zerbrechlich die stimme, vage das arrangement, deutlich die botschaft.
6. Truth Is Dark Like Outer Space: stattliches rocken, düster und dennoch ohne beängstigend zu sein.
7. The Frozen Dress: gemahnt an psychiatrische schauspiele, den titel zum schaubild entworfen. phantastisch, im wahrsten sinne des wortes.
8. Paper Kitten Claw: ein fast zartes streben, anschlag und weben, deuteln und meinen, streicheln und weinen.
9. Hello, Voyager: im vordergrund perkussion, im hintergrund eine steife trompete. ein gitarrenfetzen. sprechgesang. hat etwas von predigt, da man aus dem off bozulich antwortet. zwölf minuten.
ein album wie eine erweckung, als würde man eine im durchmesser 5 meter zählende stahlkugel durch ein blumenmeer rollen. **** für konstanz.
evangelista - hello, voyager

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