Dienstag, Januar 02, 2007

Album des Jahres 2006 - Yo La Tengo

rollingstone.com: …"Like a lot of things we do," he (ira kaplan)says, "we prefer that the title just take off and suggest whatever it suggests without giving it any pointers in our direction."Or "I am not afraid of you and I will beat your ass" could be something that basketball star Kurt Thomas reportedly said to player Stephon Marbury. But don't try to box the Tengo crew in.“
mein album des jahres hat yo la tengo geschaffen. der band aus hoboken ist ein irres, magisches ding gelungen. es ist zunächst einem kometen gleich erschienen und verschwunden. und wenn mich nicht die erinnerung gemahnte, dass es da dieses licht gegeben hatte, diesen hellen, leuchtenden ball, wäre „i am afraid of you and i will beat you ass“ vermutlich in vergessenheit geraten.
(randnotiz 1: in siebzig top 15 der spex- mitarbeiter taucht das yo la tengo- album kein einziges mal auf.)
vielleicht erging es anderen ähnlich, und das album taucht kaum in einer bestenliste auf, weil das erste leuchten nicht als wahrer schein, sondern als blender missachtet wurde. so polarisiert yo la tengos werk erneut, aber dieses album strebt im inneren ebenfalls den polen zu. und dort liegt seine größe. so wie es den tengos auf „i can heart the heart beating as one“ gelang, den großen radau mit den leisen momenten in einklang zu bringen, den ohrwurm neben die verschlissene feedbackorgie zu stellen, das unterste zu oberst kehren, um es zu feiern als das, was es ist: etwas vorhandenes. schönklang ist langweilig. krach sein gegenüber. es gibt keine schnittmenge, auf die man sich einigen müsste, kein definieren, kein schachern, kein befremdliches benoten. hier wird zeugnis darüber abgelegt, worin man sich in den vergangenen zwei jahrzehnten schulte. ohne haushalten, ohne verzögern, ohne beschönigen, ohne manierismen, ohne theatralik.

1. pass the hatchet, i think i'm goodkind

wer des yo la tengischen nicht mächtig ist, dem wird dieser einstieg ins album mehr als fremd sein und er wird sich fürchten vor dem, was da kommen mag. der kenner aber schnalzt mit der zunge und genießt das geniale zusammenspiel der drei, in dem die rhythmusfraktion aus georgia hubley an den drums und james mcnew am bass ein blitzblankes fundament schafft, auf dem sich ira kaplan via gitarre austoben kann. exzellent gelingt, und dessen wird man ansonsten eher nur auf konzerten gewahr, das ausloten einer stimmung oder eines stimmungsbogens, wie ein tänzer, der auf einer stelle all sein können präsentieren kann. knapp elf minuten, in denen die regler hochgefahren werden, an deren ende die rezeptoren heiß gelaufen sind und sich den nächsten titeln fiebrig entgegen neigen. wer sich einen solchen titel am anfang eines albums leisten kann, der ist frei von befürchtungen vor blasierter kritik, der darf so attackieren, wie es ira gelingt: stupende, tremolierende, rasante aktion. ein selbstverständnis zeigt sich hier, wie es nur wenige musikerkollektive auszeichnet. *****

2. beanbag chair

diesen titel durfte man vorab schon genießen. er beweist das faible der band für mehr eingängigkeit, als ihr oft unterstellt wird. er wirkt nicht zuletzt als befreiung aus der beklemmnis des vorgängers. die bläser sind ein einigermaßen neues element, innovation rules! iras stimme in ergänzung georgias, der gemeine rhythmus, das dichte, unvariable brummen und die bleiche melodieführung ergeben eine betörende fabrikation, die man löffeln, schlucken, genießen, wiederkäuen darf. *****

(randnotiz 2: bandsmagazine.ch: 9/10, plattentests.de: 7/10, pitchfork: 8,3, tonspion: 4/6. metacritic.com: 9.0)

3. i feel like going home

klavier und die sanfte stimme georgias, hintergrundvioline und der bleiche bass sind die ingredienzien für eine dieser momentaufnahmen, auf die man immer hofft, wenn man ein neues ylt- werk fasst. ein willkürlich scheinendes arrangement, das in der unaufgeregtheit seine größe ausspielt. es erinnert an große, stille filme, atmende szenen vor dem luxus eines indian summer. *****

4. mr. tough

ein flockiger grower, wie man ihn noch nie von der truppe gehört haben dürfte. ira in der kopfstimme verhangen, von bläsern begleitet, umzingelt von einer stilisierten harmoniekette. wie ließe sich toughness besser symbolisieren? (wie sagte james in einem interview: „ich liebe den klang der kuhglocke!“) ****1/2

(randnotiz 3: aus einem interview 1992: Eine Rückkopplung ist ein Sound. Ist ein Sound neutral? Die Rückkoppplung als Instrument?Ira Kaplan: Vielleicht ist ein Feedback nicht neutral. Aber es ist flexibel, dehnbar, mit Inhalten füllbar.Wenn der Sound erst mit Inhalten gefüllt werden muss, wo beginnt dann der künstlerische Ausdruck? Mit den Texten?Ira Kaplan: Es kann auf verschiedene Art und Weise beginnen. Normalerweise beginnt Ausdruck in dem Moment, wo eine Songidee vorhanden ist, wo ein Song auf der akustischen Gitarre entsteht. Dann wird versucht, einer Idee durch Ausdruck und durch Formung einen Charakter zu geben.)

5. black flowers

„black flower“ ist zunächst wohl der titel, der bei tengoaffinen am meisten befremden auslösen dürfte. denn er schlägt am meisten aus dem rahmen dessen, was man bisher von der band zu hören bekam. er ist dem ungeachtet fabelhaft, wird somit gern im repertoire akzeptiert. flächiger violinenzauber, rhythmische, verhangene bläser, die melodie in demut aus iras mund. die bläser erinnern etwas an die farben eines jürgen buchner. *****

6. the race is on again

mit „the race is on again“ nehmen yo la tengo fäden aus der vergangenheit auf, in dem sie einen charakteristischen drive bedienen, der von einer scheinbar unsinnstiftenden gitarrenarbeit iras flankiert und dennoch von der feinen melodie beherrscht wird, die die vertrauten hubley und kaplan austauschen. der song hätte auch gut auf „may i sing with me“ oder „painful“ enthalten sein können. ****1/2

7. the room got heavy

eine neuerliche stimmungsverschiebung. dem hörer wird eine menge zugemutet. nichts, was sich erahnen ließe. orgelschauer und -ornamente, drumsegen, flaches schlagwerk, eine sinistre ausmalung, schattierungen aus der hammond gezaubert. psychedelische, orgiastische steigerung! bersten! toll! *****

8. sometimes i don't get you

der schmissige unter den diebischen, heimlichen und versponnenen songs, sonnig und wohlgemut, erquicklich und dispensierend. er macht mich glauben, dass diese drei zu jenen zählen, die mit viel wärme bedacht wurden. wenn die drei dazu tanzen würden, sähe es vermutlich arg ungelenk aus und sie würden gegenseitig mit dem fingern aufeinander zeigen und als bald vor lachen tränen vergießen. *****

9. daphnia

neun minuten lautmalerei mit atmosphärischem knistern, klavier und einer dämmrigen gitarre. ****

10. i should have known better

ein popfeger, mit dem sie alle, die in dieser liga mitspielen wollten, locker wegkehren würden. eine gewaltsam vordergründige orgel schleudert die harmonie, das blecherne schlagwerk kämpft an, ira intoniert gewohnt routiniert. ****1/2

11. watch out for me ronnie

rock ‚n’ roll? yes! auf ihrem diesjährigen coveralbum haben yo la tengo bewiesen, dass sie auch dem entferntesten verwandten eine grußkarte schicken können. ****

12. the weakest part

der song, der vielleicht am meisten an “fakebook” erinnert. es ist das betont liebliche, der wechsel des gesangsparts zwischen ira und georgia, die frohe melodie, die nie kitschig zu werden droht. ein song wie ein besonders schmackhaft belegtes brot, bei dem man zunächst den rand bezwingt, um sich langsam der leckeren mitte zu näher. delikat. *****

13. song for mahila

ira kaplan setzt sich auch während eines konzerts gern mal an den synthesizer und lässt ihn wie ein wohlausstaffiertes klavier klingen, schaut dann verträumt und singt bewegende zeilen, wie z.b. in „song for mahila“. ****1/2

14. point and shoot

zuvorderst sollte es ein anheimelnder popsong werden, später, so heißt es, gab man ihm durch die raue gitarre eine neue richtig. an die sechziger gemahnend, mit leckerem „ooh ooh“ und „all you need is love“ genau das richtige, um jeder vorabendserie zu entfliehen. herrlich mäandernd zum schluß, hätte durchaus länger sein dürfen. *****

15. the story of yo la tango

der kreis schließt sich. die tengos noch einmal im rücksichtslosen breitwandstreben. es groovt, walzt, schleppt, scheppert und irrlichtert, was das zeug hält. ****1/2

gesamt: *****

es sei das persönliche “pet sounds” der band habe ich bereits gelesen und mich vor allem darüber gefreut, dass die qualität des albums auch anderenorts erkannt wurde. was mir allerdings am meisten imponiert ist, dass der band nach zwanzig jahren noch so ein geschlossenes, stimmiges und dabei so außerordentlich abwechslungsreiches album gelingt. nichts zu spüren von erschlaffung, behäbigkeit oder mutlosigkeit, wie sie andere nach so langer zeit im geschäft häufig genug befällt.ich prophezeie, dass man sich dieses albums häufiger erinnern wird.

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